Alte weiße Männer...

Mein Geburtstag naht - und schön langsam mache ich mir Sorgen, auch einer dieser alten weißen Männer zu werden, die alles besser zu wissen glauben und selbst die dunkelsten Verschwörungen der Regierungen dieser Welt durchschauen.

Klar, dass Geheimzirkel seit zig Jahren versuchen, uns durch Chemtrails zu gefügigen Sklaven zu machen, das erkennt wohl jeder, und auch der Bevölkerungsaustausch ist nur zu offensichtlich. Da hätte sich Merkel mehr Mühe geben müssen, da drängen sich die Motive ja regelrecht auf. Wobei - wenn ich mir Gauland, Höcke, Bachmann und andere so ansehe, könnte man vielleicht wirklich auf die Idee kommen, ein Austausch könnte sinnvoll sein. Die Beschränkungen aufgrund des Ausbruchs von CoVid-19 allerdings einem Geheimplan der Regierung zur Zerstörung der Lebensgrundlagen des deutschen Volkes und zur Gewöhnung an Sklaverei und Unterdrückung zuzuschreiben, erfordert schon echte Intelligenz. Auf der anderen Seite erkennt das sogar ein Xavier Naidoo.

 

Es ist erschreckend, wie viele Menschen auf diesen Schwachsinn hereinfallen, befeuert durch Agitatoren auf russischen Lohnzetteln und die AfD. Das man mich nicht falsch versteht: Es ist wichtig und richtig, die Einschränkung von Grundrechten kritisch zu hinterfragen und für die Freiheit zu kämpfen. Wenn aber Corona als Hirngespinst und Verschwörung einer technokratischen Weltelite bezeichnet wird, dann ist das einfach nur dumm und sogar gefährlich. Der Lockdown kostet unser Land Milliarden, die Schließung der Schulen verringert die Lebenschancen einer ganzen Generation und CoVid-19 sorgt für tausende Tote, auch in Deutschland. Wer so tut, als sei alles nicht schlimm und als könne man einfach weiterleben wie vor dem Ausbruch der Pandemie, der sorgt für die nächste Welle an Erkrankungen, für den zweiten Lockdown und womöglich noch schlimmere Beschränkungen, wie wir sie aus China oder Italien kennen. Ein bisschen Vernunft darf schon sein...

 

Besonders erschreckend ist, dass die AfD ein neues Thema gefunden hat. Unabhängig von irgendwelchen Überzeugungen und Grundsätzen, springt man auf den nächsten Zug auf, Hauptsache dagegen, Hauptsache stänkern, Hauptsache einen diffusen gesellschaftlichen Unwillen aufgreifen. Zuerst war es die Euro-Rettung, dann das Thema Migration, dann Feinstaub, Tempolimit und Elektromobilität, dann der Klimaschutz und die ökologische Landwirtschaft. Wenn Widerstand, wenn Dagegensein um jeden Preis, die einzigen Inhalte sind, dann ist das nicht nur traurig, sondern einer politischen Partei unwürdig. In einer Demokratie ist es Aufgabe der Parteien, an der politischen Willensbildung der Bevölkerung mitzuwirken - dazu gehören aber nicht die Verbreitung, Befeuerung und Erfindung von Verschwörungstheorien. Politik hat mit Verantwortung zu tun.

 

Wenn ein Wolfgang Kellermann die Corona-Pandemie nutzt, um all seine Ängste, seine Minderwertigkeitskomplexe und seinen Frust loszuwerden, wenn er die Gesellschaft spaltet und den Schutz der Gesundheit ganzer Bevölkerungsgruppen aufs Spiel setzt, dann ist das eines Stadtrats der Großen Kreisstadt Erding unwürdig. Diese Bemerkung sei mir einen Tag vor der Vereidigung des neuen Stadtrats erlaubt - wir sehen leider unruhigen Zeiten entgegen.