OFW in Erding

Ohne festen Wohnsitz (OFW) in Erding, einer durchaus wohlhabenden Stadt, in der es niemandem schlecht gehen müsste. Trotzdem gibt es auch in Erding Obdachlosigkeit, bedingt durch die ständig steigenden Wohnkosten, die fehlende Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum für alle Geldbeutel und auch psychische Probleme mancher Menschen.

Vielleicht bin ich bei diesem Thema besonders sensibel, weil ich während des Zivildienstes und dann auch noch im Studium Obdachlose in München betreut habe. In der Benediktinerabtei St. Bonifaz in der Karlstraße in München, direkt beim Hauptbahnhof, haben wir jeden Tag etwa 120 Menschen mit Essen versorgt, mit Kleidung, medizinischer Nothilfe, mit Gesprächen und vor allem mit Aufmerksamkeit. Bei den Obdachlosen waren ganz unterschiedliche Charaktere dabei, Aggressive, Alkoholiker, Illegale, Drogenabhängige, auch Bewaffnete. Nicht jeder Umgang war einfach, auch ich wurde zwei Mal bedroht, einmal sogar bewaffnet. Aber bei allen Problemen, die man überhaupt nicht verschweigen darf, war eines immer klar und wurde von Abt Odilo, Fr. Barnabas, Fr. Emmanuel  und allen anderen Mönchen und ehrenamtlichen Helfer*innen jeden Tag vorgelebt: Es handelt sich um Menschen, um Menschen in Not, die Hilfe brauchen.

 

Umso entsetzter war ich deshalb, als ich im Erdinger Anzeiger lesen musste, wie im Erdinger Stadtrat über die Situation obdachloser Männer und Frauen berichtet wurde. Wer ein Bild eines psychopathischen Monsters (Hannibal Lecter) zeigt, um die Menschen zu beschreiben, die in den Unterkünften leben (müssen), der ist weit übers Ziel hinaus geschossen. Dies verharmlosend als Hilfeschrei der Verwaltung zu beschreiben, ist schon sehr euphemistisch. In all den Jahren in der Obdachlosenarbeit habe ich nur einen einzigen Mann kennengelernt, der sich freiwillig für dieses Leben entschieden hat (ein ehem. Siemens-Manager, der weg wollte von Kapitalismus und Gier und jeden Tag im Hospiz sterbende Aids-Kranke betreut hat). Alle anderen hatten Schicksalsschläge zu verkraften, mit denen sie allein nicht fertig wurden, seien es Unfälle, Scheidungen, Arbeitsplatzverlust oder der Tod geliebter Menschen. Und genau deshalb reicht es auch nicht, Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen und durch starre und strenge Regelwerke den Alltag zu organisieren. Wer wirklich etwas ändern und den Betroffenen helfen möchte, der kümmert sich um professionelle Betreuung, um Sozialarbeit, Schuldnerberatung, Suchtberatung und Hilfen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Gewalt, Dreck oder Lärm sind Hilfeschreie - so schwer das auch zu ertragen sein mag.

 

Erding muss sich ein Konzept zur Obdachlosenarbeit leisten, um Wohnungslosigkeit effektiv zu bekämpfen. Natürlich brauchen wir menschenwürdige Unterkünfte (sollte das nicht selbstverständlich sein?), dazu muss aber dringend eine sozialpädagogische Betreuung in den Einrichtungen kommen. Nur so kann eine Lösung erfolgen, alles andere ist eine bloße Verwaltung der Probleme.