Art. 4 Grundgesetz

"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich." So heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Für mich persönlich gehört zu diesem Grundsatz auch, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem Glauben, dieselben Lebenschancen haben muss.

Wenn nun aber ein Mitbürger muslimischen Glaubens nicht als Bürgermeisterkandidat in der CSU antreten kann, weil es in dieser ach so staatstragenden Partei zu viele Vorbehalte gibt, kann man dann noch davon sprechen, dass Muslime dieselben Chancen auf Mitwirkung und Mitbestimmung in diesem Land haben?

Es ist erschreckend, dass Kandidaten für den Gemeinderat damit drohen, nicht zur Wahl anzutreten, wenn ein muslimischer Bürgermeisterkandidat aufgestellt wird, so wie das in dieser Woche in Wallerstein geschehen ist. So, als ob die Religionszugehörigkeit eine entscheidende Qualifikation für ein Bürgermeisteramt wäre. Sind da nicht vielmehr andere Fähigkeiten gefragt? Anpacken zu können, Menschen begeistern und auch führen zu können, teamfähig zu sein, neue Ideen zu entwickeln? Sener Sahin, der Muslim, der vielleicht für die CSU hätte Bürgermeister von Wallerstein hätte werden können, bringt all diese Eigenschaften mit: Er ist erfolgreicher Unternehmer, spielt Fußball in der 2. Mannschaft des SV Holzkirchen, hat Jugendmannschaften trainiert. Aber darum ging es vor Ort nicht - entscheidend war, dass er Muslim ist. So, als wäre das ein Hinderungsgrund. Ich frage mich, wie sich die muslimischen oder zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürger nun fühlen müssen, wenn sie sehen, dass selbst all das nicht ausreicht, um anerkannt zu werden.

Besonders perfide finde ich die Berufung auf das "C" im Parteinamen. Wo war und ist denn das "C", wenn tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken? Wo ist denn das "C" angesichts der verheerenden Zustände in den griechischen Lagern für Flüchtende? Wo ist denn das "C" angesichts der Lieferung von Kriegswaffen in die Türkei oder nach Saudi-Arabien? Wo ist denn das "C" im Umgang mit den eigenen Leuten, sei es bei der Machtübernahme Söders oder bei den Vorgängen im Ortsverband Moosinning-Eichenried? Wo ist denn das "C" in den letzten Jahrzehnten gewesen, als es um die Bewahrung der Schöpfung ging?

Da nützt es auch nichts, wenn sich nun prominente Vertreter der CSU hinstellen und betonen, wie bedauerlich der Rückzug eines Muslims aufgrund der Anfeindungen aus der eigenen Partei ist. Denn am erschreckendsten war meiner Meinung nach die Einlassung von Markus Ferber (MdEP), der laut Münchner Merkur bedauert hat, dass ein so gut integrierter Mann Vorbehalte zu spüren bekommt. So gut integriert? Sener Sahin ist in Nördlingen geboren, hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit wann müssen sich Deutsche denn in Deutschland integrieren? Allein dieser Gedankengang ist entlarvend für das Denken in Teilen der CSU. Ist er denn kein Deutscher, nur weil seine Vorfahren aus der Türkei kommen? Reicht die Staatsbürgerschaft plötzlich nicht mehr aus?

Die sog. CSU fordert ja regelmäßig Wertekunde für Geflüchtete - übrigens durchaus zu Recht, wie ich finde. Nur manchmal habe ich den Eindruck, dass so ein bisschen Wertekunde uns Einheimischen auch nicht schaden würde.