Steuern steuern

Was für ein Aufschrei! Bundesfinanzminister Olaf Scholz will - ausgehend von einem Gerichtsurteil (!) - überprüfen, welche Vereine tatsächlich noch gemeinnützig sind und damit Steuervergünstigungen in durchaus beträchtlichem Umfang erhalten. Wohlgemerkt, kein Verein soll verboten werden. Es geht nur darum, zu überlegen, welcher Verein tatsächlich dem Wohl der Allgemeinheit dient.

Natürlich ist es das gute Recht eines Staates, zu definieren, welche Werte eine Gesellschaft anstrebt, welche Ziele man allgemein für vernünftig ansieht. Insofern kann man natürlich darüber diskutieren, ob Vereine, die Frauen pauschal ausschließen, tatsächlich die von der Gemeinschaft angestrebten Ziele vertreten und unterstützen.  Man stelle sich nur einmal vor, ein Verein wie Türk Gücü (der hier in Erding übrigens hervorragende und integrative Jugendarbeit leistet) würde plötzlich Christen oder Juden ausschließen. Was für ein Aufschrei ginge durch das Land - und das völlig zu Recht!

Insofern hat der Bundesfinanzmininster eine wichtige Diskussion angestoßen. Natürlich kann man mit dem Verweis auf Traditionen jede Debatte beenden, aber das Schöne ist ja, dass sich auch Traditionen ändern. Der Mensch hat den Kopf ja zum Denken. Schließlich verbrennen wir auch keine rothaarigen Frauen mehr und erkennen glücklicherweise mittlerweile auch, dass Frauen genauso leistungsfähig, intelligent und gleichberechtigt wie Männer sind. Traditionell war das ja nicht immer so...

 

Steuern steuern. Deshalb heißen sie ja auch so. Wenn ich bestimmte Ziele erreichen will, dann kann ich das über Steuern steuern. Eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Bahnreisen ist mehr als sinnvoll, weil ich dadurch das Mobilitätsverhalten der Bürger*innen steuere. Und eine schrittweise Erhöhung der Mehrwertsteuer auf stark zuckerhaltige Produkte würde dazu führen, dass weniger Süßigkeiten konsumiert werden - und jeder, der mich kennt, weiß, wie schwer mir dieser Satz gefallen ist. Und eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit und damit steuerlicher Vorteile für Vereine, die bestimmte Bevölkerungsgruppen ausschließen oder zum Beispiel Religionsfreiheit einschränken wollen, steuert eben auch. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass wir eine gesellschaftliche Debatte über die Werte und Ziele dieser Gesellschaft führen. Woillen wir Gleichberechtigung und gleichen Zugang für alle zu gesellschaftlichen Aktivitäten? Können Vereine mit Gewinnerzielungsabsicht, die millionenschwere Unternehmen sind, wie z. B. der ADAC, gemeinnützig sein?

 

Der Beißreflex gerade konservativer Medien und Mitmenschen angesichts der verkürzten und polarisierenden Forderung nach Streichung der Gemeinnützigkeit für reine Männervereine, mag verständlich sein, zielführender und wichtiger wäre aber eine echte Diskussion über die Werte in unserem Land.